Wärmestube in der Badischen Zeitung

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Wärmestube in der Badischen Zeitung

Ungelesener Beitragvon Matze » 1. Januar 2007, 20:02

Bericht über die Wärmestube, unsere Hausnachbarn, in der Badischen Zeitung vom 29.12.06

Wo die Armut tagsüber ein Asyl hat

Die Wärmestube beim Ursula-Heim bietet Menschen ohne Wohnsitz ein Obdach, Waschmöglichkeiten, Gespräche


Von unserer Mitarbeiterin Cornelia Weizenecker

OFFENBURG. Überall in der Stadt glitzern noch die Lichter der Weihnachtsbeleuchtung. Menschen mit Einkaufstüten hetzen auch zwischen den Jahren, wohl wegen der drohenden Mehrwertsteuererhöhung, von einem Geschäft zum anderen. Es ist kalt. Ein Wetter, um sich eigentlich unter einer warmen Decke zu verkriechen oder gemütlich einen Glühwein zu schlürfen. Wohin aber, wenn man keine Wohnung hat? "Täglich finden etwa bis zu 45 Menschen den Weg in die Offenburger Wärmestube" , sagt Dimitri Strauch.

Gemeinsam mit Jeanne Dompierre ist der Sozialpädagoge für die Wärmestube zuständig. Schätzungsweise mehrere 100 Menschen leben in ungesicherten Wohnverhältnissen in der Ortenau.

Seit März dieses Jahres ist die Wärmestube, die dem Ursula-Heim angegliedert ist, das Wirkungsfeld von Dimitri Strauch. Strauch ist Ansprechpartner für alle Belange, steht den Menschen mit Rat und Tat zur Seite, vermittelt Prozesshilfe, wenn mal wieder einen seiner Klienten die Vergangenheit einholt. Oder er hilft einfach beim Abfassen eines Schriftstücks. Unabhängig von den Außentemperaturen ist die Wärmestube 365 Tage im Jahr geöffnet, immer von 8 bis 19.30 Uhr.

"Wenn es draußen kalt ist, ist natürlich mehr los" , sagt Sepp Müller. Müller, ein sympathischer Mann, ist ehrenamtlichen Mitarbeiter. Sepp Müller selbst hat es geschafft. Mehrere Jahre hat er auf der Straße gelebt oder, wie er sich ausdrückt, ist "auf Platte gewesen" . Auf einem Lüftungsschacht vor einem Offenburger Bekleidungshaus habe er oft geschlafen, meist nur bis zur Polizeikontrolle um 4 Uhr morgens. Oder bis die Straßenreiniger sich einen Spaß daraus gemacht habe und den Schlafenden mit dem Wasserschlauch nassgespritzt habe, erzählt er. Dass ihm während des Schlafs die Schuhe geklaut wurden, fand er auch nicht komisch. Damals schon sei die Wärmestube einer seiner Lieblingsplätze gewesen. Dort konnte er duschen, auf die Toilette gehen, Kleider waschen, Mensch sein.

Dann ist da noch Dirk Adam, der im Norden Deutschlands aufgewachsen ist. Sein Alter ist schwer zu schätzen. "Man hatte das Gefühl der Freiheit" , versucht der Mann seinen Lebensweg zu erklären. Viele böse Erniedrigungen hat er auf der Straße erlebt und versucht sie zu verdrängen. "Ich konnte nur betteln, wenn ich getrunken hatte" , gibt Sepp Maier zu. Wie die anderen, ist auch er der Meinung: "Der Durchschnittsbürger hätte gar nicht die Fähigkeit, auf der Straße zu überleben" .

Fast zwölf Jahre gibt es die Offenburger Wärmestube nun schon. Sie ist allerdings nur ein Tagesaufenthalt für Leute, die auf der Straße leben. "Mal schlafe ich draußen, manchmal finde ich Unterschlupf bei Bekannten" , erzählt Waltraud Weber. Seit zwei Jahren ist sie nun arbeitslos, und Hartz-IV-Empfängerin, wie sie sich selbst bezeichnet. Gezeichnet von Obdachlosigkeit und Drogenkonsum, erzählt sie von ihrer früheren Heroinabhängigkeit, vom kalten Entzug und von ihrem 32-jährigen Sohn. Hier in der Wärmestube hat sie einen Ein-Euro-Job gefunden. "Wissen Sie, ich koche gut" , sagt die 52-Jährige. Und wie kann es anders sein, die Frau war für das Festtagsmenü an Heiligabend zuständig. Rollschinken mit Kartoffelsalat hat es gegeben. Ihr Sohn hat sie hier besucht. "An diesem Abend schließen wir nicht um 19.30 Uhr" , betont Strauch. Die Menschen sollen gemütlich miteinander feiern können. Geschenke gab es natürlich auch, verrät der Sozialpädagoge. Für jeden eine Tüte mit Gebäck, etwas Obst und Tabak.

Und was wünscht sich Waltraud Weber? "Gesundheit" , sagt sie. Keine Wohnung? "Ach wissen Sie, wenn es nicht schlimmer kommt, bin ich mit meinem Leben zufrieden" . Auch Dimitri Strauch hat einen Weihnachtswunsch: "Weniger Armut" .

Ein Platz für die Leute von der Straße (FOTO: CHRISTIAN HECK)
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